Wenn ich mir die Fotos von Rittern und ihrem Gefolge bei den (gefühlt immer mehr werdenden) Turnier- und Hofhaltungscons anschaue, dann bleibt mir oft der Mund offen stehen. Die Ausstattung, die Kleidung – Wow! So zum Beispiel jetzt ganz aktuell auf den Fotos von einem Con am letzten Wochenende, auf dem auch meine Frau unterwegs war. Fotos, die man hier findet. Fotos von Rittergruppen, die zu einem großen Teil schon pornös sind. Und die gerade deshalb einen Standard und einen Anspruch für die aktuelle Darstellung von Rittern und Adel im Larp postulieren.
Unabhängig davon, wie man den daraus resultierenden Anspruch an die Darstellung von Adel im Larp selber bewertet, so ist er doch existent und hat durch die in den vergangenen Jahren immer aufwendigere Ausstattung die Latte immer höher gelegt. Das bedeutet auch, dass man sich an diesem Standard messen lassen muss. Dass man daran gemessen wird – ob man das möchte oder nicht. Wer nicht in der Lage oder Willens ist diesem Anspruch und diesem Standard gerecht zu werden und trotzdem einen Adligen spielen möchte, der muss unweigerlich damit rechnen, dass er nicht als Adliger erkannt und angespielt wird. Sicher kann man auch heute noch einen Ritter in Lederhose und Schnürhemd spielen, doch wird man damit leben müssen, sich gar nicht oder nur schwer gegen andere Adelsspieler durchsetzen zu können.
Man mag es als ungerecht empfinden, doch ich begrüße jede Entwicklung, die den Gesamteindruck des Spielumfeldes verbessert und damit auch die Immersion in die Larp-Welt fördert. Dazu gehört (besonders bei mir als visuellen Menschen) die entsprechende Kulisse, die auch von der Kleidung und der Ausstattung der Charaktere meiner Mitspieler und der NSCs geprägt wird. Dabei ist klar, dass Adlige als besondere Charakter einer doch meist als Lehnswesen organisierten Welt eine besondere Stellung haben, die sich auch in der Darstellung Ausdruck verleihen muss. Das betrifft sowohl die Ausstattung, als auch die besondere Verantwortung gegenüber Mitspielern (im Besonderen der eigenen Gruppe) und die Art der Darstellung.
Nicht nur bei der Kleidung und Lagerausstattung hat sich der Anspruch meinem Empfinden nach geändert, sondern auch in der rollenspielerischen Darstellung. So sind die ritterlichen Tugenden, das höfische Benehmen, die ehrenhaften Turniere mit Tanzbällen und die Minne in der Ritterdarstellung in den letzten zehn Jahren zunehmend wichtiger geworden. Damit eine Ritterlichkeit, die meiner Einschätzung nach in ihrer Ausgestaltung vornehmlich auf dem Spätmittelalter und seiner Verklärung in der Romantik fußt. Der Ritter als strahlende Heldenfigur und Sinnbild einer ganzen Epoche.
Als mein Mathras 2004 seinen Ritterschlag erhielt war der Standard – zumindest in meinem Larpumfeld -, was die Darstellung eines Ritters anging, ohne sonderliche Anforderungen. So habe ich ihn, auch auf Grund von finanziellen Engpässen, einige Jahre gespielt. Erst 2007 erhielt er – zum Portfest in Yddland – eine neue Kleidung, was auch die ersten Selbstnähversuche in unserem Haushalt darstellten. Doch schon damals habe ich auf verschiedenen Cons, die auch außerhalb des eigentlichen Larpumfeldes lagen, und im Internet andere Ritter mit ihrem Gefolge gesehen, deren Standard höher als das war, was ich damals realisieren konnte.
Dass ich Mathras mehrere Jahre nicht mehr gespielt habe, hing auch stark damit zusammen, dass ich nicht in der Lage war (und bin) einen Ritter zu verkörpern, wenn ich mich auf Grund meiner Kleidung und Ausstattung nicht als Ritter fühlen kann. Nie haben mich andere Ritter deswegen geschnitten oder nicht mit mir gespielt, oft haben sich sogar größere Kontingente auf einem Con meinem Befehl unterstellt (nur weil ich Ritter war) – aber meinem eigenen Anspruch an die Darstellung konnte ich nicht mehr genügen. Daher habe ich im Herbst 2008 Mathras eingemottet. Bis er 2013 mit neuer Kleidung seine Auferstehung hatte, wenngleich ich bis auf eine Ausnahme seitdem nur auf dorlónischen Cons war.
Die ganze Zeit, bis eigentlich vor wenigen Wochen, war die oben beschriebene bzw. angedeutete Darstellung, Kleidung und Ausrüstung der Larp-Ritter bzw. ihr Standard und der damit einhergehende Anspruch das Ziel, das ich erfüllen wollte. Eine Art Idealbild, das ich immer erreichen wollte, aber nie erreicht habe. Dazu zählte auch, dass ich mich nicht nur grob an eine historische Epoche (in meinem Fall das Hochmittelalter) orientierte, sondern bestrebt war diese mit Kleidung und Ausstattung möglichst 1:1 zu übernehmen. Ich fing an über ritterliche Tugenden nachzudenken und habe sogar mal angefangen ein entsprechendes Schriftstück zur Gründung eines entsprechenden Rittersbundes zu schreiben (was man halt so macht, wenn man eine fixe Idee, zuviel Begeisterung und doch irgendwie zuviel Zeit hat).
Ich glaube, dass man bei meinem Beitrag „Ritter auf Reisen“ schon langsam gemerkt hat, dass ich von diesem Idealbild der Ritterdarstellung gerade abrücke. Schritt für Schritt, aber stetig. In besagtem Beitrag habe ich mich gefragt, ob der Standard von Adelsgruppen bei der Lagerausstattung auch mein Standard sein muss. Ob ich den Aufwand OT treiben möchte (als Burnoutler sollte man sich solche Fragen durchaus auch stellen) und ob er wirklich sein muss. Aber auch, ob er Intime wirklich schlüssig ist und zwingend für eine schöne Spielatmosphäre erforderlich ist – oder diese sogar behindern kann (wie gefühlt beim Chaos 8).
Indessen hat sich meine Fragestellung zur Lagerausstattung ausgeweitet auf die gesamte Darstellung als Ritter. Auch auf seine Kleidung, seine Ideale und Tugenden. Dabei treibt mich die Frage um, wie weit ich von den oben beschriebenen und zumindest gefühlt postulierten Ansprüchen und Standards der Adligen- bzw. Ritterdarstellung im Larp abweichen kann, ohne im schlimmsten Fall nicht mehr als Ritter wahrgenommen zu werden.
Der Grund liegt dabei in dem Charakter und seiner Geschichte, aber auch in seiner Herkunft – von Geburt als auch vom Reich Dorlónien. Denn viele Sachen in der Darstellung, die ich oben noch im Bereich des (zumindest gefühlten) Standards genannt habe, passen einfach nicht zur Person als auch nicht zu seinem Hintergrund.
Er ist nicht von adliger Geburt. Sein Vater war Rüstungsschmied. Er hat als Waldläufer in einem Krieg gekämpft, bevor er auf Reisen ging. Dann war er Söldner, bevor er die Dorlónier traf und Leutnant in der Armee wurde. Auch nach seinem Ritterschlag ist er in vielen Dingen in erster Linie ein Soldat geblieben. Dazu kommt, dass Dorlónien ein raues Land ist, dessen Menschen im ständigen Kampf wider das Zwielicht gar keine Zeit haben sich mit höfischen Etiketten aufzuhalten. Auch die meisten Ritter nicht. Besonders nicht der Ritter, dessen Mark Kriegsgebiet ist.
Warum sollte Mathras einer Frau Honig um den Mund schmieren, wenn man sie eh nie bekommen kann. Damit fällt der Minnedienst weg. In seiner Mark im ständigen Kampf gegen Orks – warum sollte man dann noch zum „Vergnügen“ mit der Waffe in den Ring steigen, anstatt die freie Zeit zu genießen. Auch wenn er weiß, dass er als Ritter einen besonderen Stand hat, kann er bis tief in die Nacht mit den einfachen Soldaten trinken. Aus Erfahrung vertritt er die Ansicht, dass man Kämpfe durch Siege gewinnt und nicht durch Ehre (Ehre ist eine tolle Sache, aber im Kampf selbst zählt der Sieg). Anders gesagt: Mathras ist ein Ritter, der mit den im Larp oft anzutreffenden ritterlichen Tugenden eigentlich wenig im Sinn hat.
Sicherlich gibt es Ritter, die den derzeitigen Standards nicht entsprechen. Dazu zählen sicher auch Einige, die diese Standards gar nicht wahrnehmen und/oder denen es egal ist, ob sie (von Dritten als auch von den eigenen Leuten) als Ritter wahr oder ernst genommen werden. Es wird aber sicher auch gute Ausnahmen geben. Und das ist auf dem Weg, den ich gerade in der Überlegung meiner Ritterdarstellung, mein Ziel. Eine gute Ausnahme zu sein.
Aber es bleibt die Skepsis, was geht und was gar nicht geht. Was ist die Kür und was ist die Pflicht in der Ritterdarstellung? Und dazu würde ich mich über Deine Meinung (gerne hier unter dem Beitrag in den Kommentaren) freuen. 😉
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